PROJEKT

ZOO MOCKBA – Aufbruch in die Moderne

Absolventen der Leningrader Kunsthochschule wagten ab Mitte der 1950er Jahre den Aufbruch in die Moderne. In der sowjetischen Spielzeugindustrie boten sich gestalterische Freiräume, um Neues auszuprobieren und eine eigene Formsprache zu entwickeln, in der Zeitgeist und ein neues Lebensgefühl ihren selbstbewussten Ausdruck fanden. Viele ihrer bunten Spielfiguren sind große Kunst für kleine Kinder, Skulpturen aus Plastik, die ein traditionsreiches kulturelles Erbe in sich tragen.

Im Russland der Zarenzeit gab es keine eigene Spielwarenindustrie. Wer es sich leisten konnte, verwöhnte seine Kinder mit Puppen und Spielzeug aus deutscher und französischer Produktion. Die Spielsachen der kleinen Leute waren individuelle Handarbeiten, aus Holz geschnitzt, aus Ton geformt. In ihnen spiegelt sich die traditionelle Volkskunst, die vielfach bis heute unser Bild von russischem Spielzeug und russischer Kultur im allgemeinen prägt. Als dann ab den 1930er Jahren auch in der Sowjetunion die ersten industriell gefertigten Spielwaren vom Band liefen, orientieren sich diese an internationalen Vorbildern.

Nach Krieg und Zerstörung fehlte es an allem. Beim Wiederaufbau hatten Spielsachen nicht die erste Priorität. Dennoch waren Produktionsbetriebe aufgefordert, neben Waren des täglichen Bedarfs auch Spielsachen herzustellen. Anfang der 1950er Jahre kam eine neue Generation von Absolventen aus den Kunsthochschulen. In der Industrie boten sich ihnen Möglichkeiten, ein geregeltes Einkommen zu erwirtschaften, sowie gestalterische Freiräume, um Neues auszuprobieren und eine eigene Formsprache zu entwickeln. Während in der Kunst noch immer die Bildsprache des sozialistischen Realismus dominierte, fanden im Spielzeug Zeitgeist und ein neues Lebensgefühl ihren Ausdruck. Auch wenn mancher Künstler heute nicht mehr gerne darüber spricht, dass er in jungen Jahren industrielles Spielzeug gestaltet hat, so war doch gerade darin zu einem frühen Zeitpunkt eine künstlerische Avantgarde erkennbar.

Aus Kunststoffen wie Zelluloid und Polyethylen erschufen die Spielzeuggestalter  der Sowjetunion eine artenreiche Tierwelt, die in ihrer bunten Vielfalt ihresgleichen sucht. Diese preiswerten Industrieprodukte kündeten häufig von einem kultivierten Gestaltungswillen, der bis heute beispielgebend ist. Generationen von Kindern waren mit diesen Spielsachen vertraut. Hierzulande blieben sie jedoch weithin unbekannt.

Bereits in den 1920er Jahren war Zelluloid nicht nur in der Filmindustrie, sondern auch in der Spielwarenfabrikation ein bewährtes Material. Seit den 1960er Jahren galt Plastik als Werkstoff des Fortschritts. Auch in der Sowjetunion fand eine hoffnungsvolle Moderne darin ihren Ausdruck. Im ZOO MOCKBA wird der Geist dieser Zeit noch einmal lebendig.

Die Ausstellung zeigt eine exemplarische Auswahl von originalen Spielzeugtieren der eigenen Sammlung, die insgesamt mehr als 400 Objekte umfasst. Neben Spielzeugen aus Zelluloid, Polyetylen und Gummi werden auch handgefertigte Entwurfsmodelle für Spielzeugtiere präsentiert. Viele Objekte lassen sich konkreten Künstlern zuordnen, die mit ihrer Biographie in der Ausstellung vorgestellt werden: Natalia Tyrkowa, Boris Worobjew, Lew Razumowsky, Lew Smorgon, Adolf Neystat, Galina Sokolowa, Tamara Federowa, Elena Podwolodskya, Anatoli Borisow, sowie die tschechische Gestalterin Libuse Niklova und der Thüringer Spielzeuggestalter Ali Kurt Baumgarten. Zu den Objekten und Infromationstafeln kommen großformatige Fotografien einzelner Spielfiguren und Figurengruppen, die die gestalterische Qualität dieser Industrieprodukte augenscheinlich machen.